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Advent und Weihnachten

Advent und Weihnachten
Erstellt von:
Heinrich Wiedel
Veröffentlicht am:
21.12.2024
Diese Krippenszene wurde im Salzbergwerk Wieliczka (Polen) aus Salzstein gehauen.
Bildautor: Lawrence Lew OP

Thomas von Kempen schreibt:  „Nirgendwo in der Welt ist ein so großes Wunder geschehen wie in jener kleinen Hütte in Bethlehem, hier sind eins geworden: Gott und Mensch.“  

In der Adventszeit bereiten wir uns auf ein großes Fest vor: Die Geburt Jesu Christi. Mit Ihm ist die Hoffnung auf eine neue, eine bessere Zeit geboren worden. Und auch wenn die heutigen Zeiten düster und teilweise schrecklich sind, eine neue, bessere Zeit wird kommen, das ist gewiss! Wir können unserem Gott glauben:

„Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsteren sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Benedictus).

In Weisheit 18,14 finden wir:  „Als tiefes Schweigen das All umfangen hielt und die Nacht auf ihrem Weg die Mitte erreicht hatte, da kam, o Gott, dein allmächtiges Wort vom Himmel, von deinem Königsthron herab.“ 

Der Jesuit Karl Rahner hat die Heilige Nacht mit wunderbaren Worten beschrieben: „Es ist stille, heilige Nacht. Für uns aber nur, wenn wir die heilige Stille dieser Nacht in unseren inneren Menschen hineinlassen, wenn auch unser Herz 'einsam wacht'. – Solche Einsamkeit und Stille ist leicht. Wir sind ja einsam. Denn es gibt ein inwendiges Land in unserem Herzen, wo wir allein sind, wo niemand hinfindet als Gott. Treten wir leise ein! Schließen wir die Tür hinter uns zu! Lauschen wir der unsagbaren Melodie, die im Schweigen dieser Nacht ertönt. Die stille und einsame Seele singt hier dem Gott des Herzens ihr leisestes und innigstes Lied. Und sie kann vertrauen, dass er es hört. […] Und der bei sich selbst, auch wenn es Nacht ist, Eingekehrte vernimmt zu dieser nächtlichen Stille in der Tiefe des Herzens Gottes leises Wort der Liebe. Und weiter sagt Karl RahnerGott hat Sein letztes, tiefstes, schönstes Wort in unsere Welt hineingesagt. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt, du Mensch. Ich bin da, ich bin bei dir. Ich bin dein Leben. Fürchte dich nicht!“

Auch Josef Kardinal Ratzinger empfiehlt uns, stille zu werden: „Weihnachten ruft uns in die Stille Gottes hinein, und Sein Geheimnis bleibt so vielen verborgen, weil sie die Stille nicht finden können, in der Gott handelt. Wie finden wir sie? Das bloße Schweigen allein schafft sie noch nicht[ …] Es kann einer schweigen, und doch ist es unheimlich laut in Ihm. Stille bedeutet, die inneren Sinne zu entwickeln, den Sinne des Gewissens, den Sinn für das Ewige in uns, die Hörfähigkeit für Gott. 

Still werden und staunen! Können wir das heute noch? Können das unsere Kinder und Enkel noch lernen? Wenn ich sehe, welche Vielfalt von Geschenken, die Kinder heutzutage schon allein in der Adventszeit täglich bekommen! Soviel haben wir früher nicht am Weihnachtsfest bekommen. Was haben meine Schwester und ich uns früher darauf gefreut, abwechselnd ein Türchen am Adventskalender aufmachen zu dürfen. Es war jedes Jahr derselbe Adventskalender mit schönen Bildern und Silberglitter. Obwohl uns die Bilder hinter den Türchen mit den Jahren bekannt waren, freuten wir uns dennoch jeden Morgen darauf, ein Türchen zu öffnen.

Abends versammelten sich unsere ganze Familie vor dem Adventskranz mit seinen roten Kerzen zum Abendgebet. Ich hatte ab und zu Spaß daran, eine Tannennadel aus dem Kranz zu ziehen und in die Kerzenflamme zu halten. Ein herrlicher Geruch!

Der Nikolaus brachte am 6. Dezember einen süßen Teller mit Lebkuchen, Mandarinen und Marzipan. Das war alles, aber wie genossen wir diese Köstlichkeiten. Wir warteten in der Wohnung, bis wir draußen Kettengerassel hörten. Unser Vater ging draußen nachschauen und rief uns vor die Tür: „Der Nikolaus war da“, hier stand für jeden von uns Kindern ein Teller.

Edith Stein erinnert uns an die geheimnisvolle vorkonziliare Advents- und Weihnachtszeit: „Wer mit der Kirche lebt, dem rufen die Rorate-Glocken und die Adventslieder eine heilige Sehnsucht im Herzen wach; und wem der unerschöpfliche Born der heiligen Liturgie erschlossen ist, bei dem pocht Tag um Tag der große Prophet der Menschwerdung mit seinen gewaltigen Mahnworten und Verheißungen an: 'Tauet Himmel von oben und Wolken regnet den Gerechten! Nahe ist schon der Herr! Lasst uns Ihn anbeten!'  Vom 17. Bis 24 Dezember rufen die die großen O-Antiphonen zum Magnifikat (O Weisheit, O Adonai, O Wurzel Jesse, O Schlüssel Davids. O Aufgang, O Völkerkönig) immer sehnsüchtiger und inbrünstiger ihr 'Komm uns zu befreien'.“

Rorate-Ämter! Sie sind fast aus der Liturgie verschwunden. Und wie haben sie die Herzen derer berührt, die daran teilgenommen haben. Nur Kerzen erhellten den Kirchenraum. Überhaupt – wie werden wir noch im eigentlichen Sinne auf Weihnachten hingeführt, wenn wir es nicht selbst mit geeigneten Büchern, Gebeten tun. Die Liturgie könnte es vollbringen, aber dann müssten wir täglich die Gelegenheit zu Gottesdiensten haben. Wenn ich unseren Pfarrbrief aufschlage: Eine Rorate-Messe im ganzen Advent. Aber viele Adventskonzerte und Adventskaffees!

Ab dem dritten Tag vor Heiligem Abend war das Wohnzimmer abgeschlossen. Das Christkind sollte in seinen Vorbereitungen nicht gestört werden. Ab und zu hörte man etwas leise klingen. Das machte das Geheimnis noch größer. Das Wohnzimmer war nicht geheizt und eiskalt. Wir haben später erfahren, dass die Mutter unserem Vater zum Aufwärmen ab und zu einen Schnaps brachte.

Am Nachmittag des Heiligen Abend saßen wir Kinder vor dem Radioapparat und hörten im Südwestfunk die Sendung „Wir warten auf das Christkind“ mit Liedern und Geschichten, die uns das Warten erleichtern sollten. Wir hatten alle den Sonntagsstaat an, wie es sich Weihnachten gehört. Dann ertönte irgendwann das Glöckchen. Zaghaft, aber mit großer Vorfreude gingen wir Kinder auf das Wohnzimmer zu, die Tür öffnete sich und – der Weihnachtsbaum erstrahlte im hellen Kerzenlicht. Mehrere „Sternspritzer“ versprühten Funken, das Lametta verstärkte den Glanz noch. Es war wie ein Blick in den Himmel! Der Wohnzimmertisch war abgedeckt mit Bettlaken, damit wir die Geschenke noch nicht sehen konnten und beim Singen und Beten nicht abgelenkt wurden. Der Vater las das Weihnachtsevangelium aus unserer alten Hausbibel vor. Dann begleitete er uns am Klavier beim Singen der schönen alten Weihnachtslieder „Stille Nacht“, „O Du fröhliche“ und so weiter. Wir beteten gemeinsam, unter anderem für unsere lieben Verstorbenen. Und dann war endlich die Wartezeit zu Ende, es kam die Bescherung! Wir bekamen keine Supergeschenke, meistens gab es etwas zum Anziehen, aber manchmal auch ein Spielzeug. In einem Jahr bekam ich eine elektrische Eisenbahn, wie war die Freude groß! Sie wurde aber nach Weihnachten immer wieder abgebaut und im Keller verstaut. Jedes Jahr gab es dann ein neues Häuschen für die Landschaft, ab und zu auch eine neue Lok.

Das Abendessen am heiligen Abend wiederholte sich jedes Jahr: Sauerkraut mit Nürnberger Bratwürstchen mit Majoran und Weißbrot mit Mohn. Tradition war auch, dass ich schon als Kind einen Schluck Weihnachtsbier probieren durfte. Während des Abendessens hörten wir im Südwestfunk die Sendung „Glocken läuten die Weihnacht ein“ mit den feierlichen Glocken von Domen und Kirchen. Danach saßen wir im – jetzt beheizten - Wohnzimmer zusammen, hörten Weihnachtsmusik, aßen Plätzchen und hatten Freude zusammen. Wenn es Zeit wurde für uns Kinder, gingen wir satt voller Glückseligkeit zu Bett. Diesen Glückszustand kann ich heute noch nachfühlen. In einem Jahr gab einen es einen Aufruf, als Gruß „für die Brüdern und Schwestern in der Ostzone“ Kerzen an die Fenster zu stellen. Da haben meine Eltern natürlich auch mitgemacht. Es war für uns Kinder wunderbar, am Hl. Abend einschlafen zu können, während draußen die Kerzen flackerten.

Ein Weihnachtsnachmittag ist mir besonders in Erinnerung: Ich war allein zu Hause. Draußen dämmerte es, im Wohnzimmer brannte keine Lampe. Nur der Schein des Feuers im Ölofen warf flackernde Schatten auf die Wand. Die Fenster des Wohnzimmers gingen zur Straßenseite hin. Die Läden waren noch offen, sodass die Straßenlaterne ein mildes Licht ins Zimmer warf. Wir wohnten damals in Parterre. Dann fing es plötzlich an, in dicken Flocken zu schneien. Die Straße war im Nu wie verzaubert. Welch ein heimeliger und gemütlicher Weihnachtstag!

Heinrich Wiedel
heiwiedel [at] gmail.com

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