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Kleinglaube

Kleinglaube
Erstellt von:
Heinrich Wiedel
Veröffentlicht am:
29.08.2024

Ich kann mir noch so viel auf meinen Glauben einbilden, spreche bei anderen Menschen mit Überzeugung von der Liebe Gottes und trotzdem kommt immer wieder bei verschiedensten Problemen Angst hoch. Meistens sind es Geldsorgen. Gerade in der Nacht, wenn ich dann nicht durchschlafen kann, mich im Bett hin und her wälze, kommen diese negativen Gedanken hoch. Manchmal hilft beten, oft schweifen die Gedanken aber ab. Dann versuche ich mich an den „roten Faden“ zu klammern, der sich eigentlich durch mein ganzes Leben zieht, nämlich dass Gott bisher immer geholfen hat, dass sich immer ein Ausweg auftat, auch wenn es lange Zeit nicht danach aussah.

Ein orthodoxer Ikonenmaler stellt Christus dar, als Er den durch Selbstmord gestorbenen Judas Iskariot trägt. Das Bild hängt im Dom des Heiligen Sava in Belgrad (Serbien). Es ist die vielleicht ungeheuerlichste Darstellung der christlichen Verräter und Feindesliebe, wenn Gott selbst seinen schlimmsten Verräter auf die Schultern nimmt. Zu diesem Bild gibt es eine interessante gedankliche Auseinandersetzung von Adalbert Haudum O.Praem (Stift Aigen-Schlägel, Oberösterreich). Sie finden den Link am Ende des Leserbriefes.
Bildautor: Unbekannt

Das sollte ich mir immer wieder vor Augen führen: Ich bin ein Getragener – niemals kann ich ins Bodenlose stürzen. Ich bin zu jedem Augenblick in Gottes Hand und keine Macht der Welt kann mich dieser Hand entreißen, auch nicht der Tod. Diese Hand trägt mich, ob ich es spüre oder nicht, hin zum Ziel. Diese Hand trägt mich in Zeit und Ewigkeit (Uli Heuel).
Edith Stein sagt: Wenn Gott mir durch den Propheten sagt, dass Er treuer zu mir steht als Vater und Mutter, ja dass Er die Liebe selbst ist, dann sehe ich ein, wie vernünftig mein Vertrauen auf den Arm ist, der mich hält. Ich weiß mich gehalten und habe darin Ruhe und Sicherheit, die süße und selige Sicherheit eines Kindes.
Und weiter Edith Stein: Ist Er nicht der heimliche Kaiser, der einmal aller Not ein Ende machen soll? Er hat ja doch die Zügel in der Hand, wenn auch die Menschen zu regieren meinen.

Psalm 56, Verse 4-5, erinnert uns daran, wie wir bei aufkommender Angst reagieren sollen: An dem Tag, an dem ich mich fürchten muss, setze ich mein ganzes Vertrauen auf Dich, o Herr, ich preise Deinen Namen, ich vertraue auf Dich und fürchte mich nicht. Was können Menschen mir antun?
Und weiter Psalm 50, Vers 25:  Vertraue auf Mich, wenn du in Not bist, dann will Ich dich erretten, und du sollst Mir die Ehre geben!

Manchmal stelle ich mir vor, wie Jesus neben mir sitzt, den Arm um mich legt und sagt:  „Warum hast du überhaupt Angst? Du kannst doch alles von mir erwarten, wirklich alles! Ich kann das Unmöglichste möglich machen. Setz dein ganzes Vertrauen auf Mich." Welch ein Gefühl von Geborgenheit kann das sein!
Roger Schutz, der Gründer und erster Prior der ökumenischen Communauté de Taizé, hat dieses Gebet verfasst:  Jesus Christus, Du bist auferstanden. Niemals willst Du, dass innere Trostlosigkeit uns erschüttert. Wenn wir begreifen, dass kein Mensch von Deiner Liebe, von Deinem Erbarmen ausgeschlossen ist, ändert sich unser Herz und kommt zur Ruhe. Wir fragen Dich: Was erwartest Du von uns? Und der Heilige Geist kann antworten: Ich bete in dir. Wage es, dein Leben zu geben. Wage es, soweit zu gehen!

Und der Franziskanerpater Petrus Pavlicek, der 1947 den weltweiten Rosenkranz-Sühnekreuzzug gegründet hat, fordert uns auf:  Die einzige Rettung für eine von Angst erfüllte Menschheit ist die Rückkehr zu Gott. Vom Bürgerrechtler Martin Luther King stammen diese tröstlichen Sätze:  Komme, was mag. Gott ist mächtig. Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.

Theresa von Avila hat uns den bekannten Satz hinterlassen:  Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Wer Geduld hat, der erreicht alles. Wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt. Deshalb ist das Wichtigste in unserem Leben ein vollkommenes Vertrauen in Gottes Liebe und Hilfsbereitschaft: Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie Ihm ganz überlassen, schreibt der große Mathematiker Blaise Pascal. Daran glauben zu dürfen, dieses Wissen haben zu können, ist so unendlich tröstlich. 

Aber warum sprechen unsere Seelsorger so wenig zu den Menschen über diesen einzigartigen Glauben? Gerade in unserer unsicheren, orientierungslosen Zeit, in der viele Menschen Angst vor der Zukunft haben, wäre die Verkündigung der frohen Botschaft so wichtig. Spirituelle Sehnsüchte sind bei den Menschen da, aber sie werden von der offiziellen Kirche nicht mehr befriedigt. Bischöfe und Pfarrer diskutieren lieber seit Jahren über die Neuordnung von Pfarrgemeinden, über neue Formen der Gottesdienste, die frohe Botschaft wird jedoch nur noch am Rande vermerkt. Die Menschen sind nicht ungläubiger geworden, sie suchen gerade in diesen friedlosen Zeiten nach Halt. Aber unsere Kirche bietet ihnen diesen Halt nicht mehr, deshalb finden sie das falsche Heil in der Esoterik und bei Sekten, weil sie unseren Glauben nicht mehr als etwas Frohmachendes und Befreiendes erleben, sondern als Last und Verpflichtung. Oder es ist ihnen inzwischen gleichgültig, was in der Kirche geschieht. Christliche Religion und Glaube interessieren sie nicht mehr. Kein Wunder, es ist auch niemand da, der sie dafür neugierig macht.

Würde die Kirche sich doch endlich wieder mehr an das Evangelium halten als sich mit Kirchenrecht und theologische Spitzfindigkeiten zu beschäftigen! In unserer Kirche wird viel zu viel diskutiert und beraten, Gemeinden werden neu aufgeteilt, gewachsene Strukturen werden aufgelöst, es werden neue Formen von Gottesdiensten ausprobiert, aber die Zahl der Kirchgänger beziehungsweise Mitglieder geht seit dem Zweiten Vatikanum immer weiter zurück. Und das hat nicht allein etwas mit den leidvollen Missbrauchsfällen zu tun. Die Verkündigung der wirklich frohen Botschaft liegt brach.

Der große Theologe Hans Urs von Balthasar sagte schon vor Jahren: „Die nach-konziliare Kirche hat ihre mystischen Eigenschaften weitgehend verloren und ist eine Kirche der ständigen Gespräche, Organisationen, Räte, Kongresse, Synoden, Kommissionen, Akademien, Parteien, Funktionen, Strukturen und Umstrukturierungen, soziologischer Experimente und Statistiken geworden.“ Er meint damit, die Kirche beschäftigt sich zu viel mit sich selbst, sodass sie die Kraft der Überzeugung, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, verloren hat. Wann besinnt sich die Kirche endlich wieder auf das, was ihr Hauptauftrag von Christus ist, nämlich der Welt die frohe Botschaft des liebenden und barmherzigen Gottes zu verkünden? So wie unser Papst es oft tut. 

Papst Franziskus spricht in einer seiner Fastenpredigten von der Barmherzigkeit Gottes: „Gott weist niemanden zurück. Es ist gut, über uns denselben barmherzigen Blick Jesu zu wissen, wie Er ihn auch auf die Sünderin im Haus des Pharisäers gerichtet hat. Gott vergibt ihr viel, weil sie viel Liebe gezeigt hat´. Und sie verehrt Jesus, weil sie spürt, dass in Ihm die Barmherzigkeit ist, nicht Verurteilung. Dank Jesus hat Gott ihre vielen Sünden auf sich genommen, sie sind vergessen. Auch das ist wahr: Wenn Gott vergibt, dann vergisst Er, Er vergisst, so groß ist die Vergebung Gottes. Niemand ist von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen!“ Wer auf Gott Seine Hoffnung setzt, wird damit nicht von der Welt abgehoben, sondern lernt, die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu sehen, ohne an ihnen zu verzweifeln. Wir können nicht selbst dafür sorgen, dass in unserem Leben alles gut wird. Aber wir vertrauen darauf, dass Gott Seine Schöpfung nicht verlässt und alles zum Guten führen wird (P. Martin Stark SJ).

Johannes Calvin, einer der einflussreichsten Theologen unter den Reformatoren des 16. Jahrhunderts empfiehlt uns diesen Gedanken: Nichts tröstet mächtiger als die Gewissheit, mitten im Elend von der Liebe Gottes umfangen zu werden. Der im Ersten Weltkrieg gefallene Schriftsteller Walter Flex sagt:  "Ich weiß nicht, wohin Gott mich führt, aber das weiß ich, dass Er mich führt!" Gott sei Dank entstehen immer wieder Initiativen zur Glaubenserneuerung am offiziellen Kirchenapparat vorbei. Ich denke zum Beispiel an das „Gebetshaus in Augsburg“, „Räume des Glaubens eröffnen“, „SPRING“ oder das christliche „Radio Horeb“ in Balderschwang oder auch die Publikation „Der 13.“, die jetzt so wunderbar auch im Internet vertreten ist. Alles Projekte, die durch die Kirchensteuer nicht unterstützt werden, die Menschen aber wahrscheinlich mehr erreichen, als die offizielle Kirche.

Heinrich Wiedel
heiwiedel [at] gmail.com 
 

Pater Haudum denkt über die mögliche Größe des göttlichen Verzeihens und Vergessens nach.

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